Das ruhige Sitzen

Das erste formale Lernziel in der Ausbildung.

Ein folgsamer und gelassener Hund ist der Wunsch der meisten Hundebesitzer

Um Ruhe, Gelassenheit und Unbefangenheit als gesetztes Ziel erreichen zu können, muss der Hund in der gleichen Form auch lernen dürfen – cool und vorausschauend. Das ruhige Sitzen unter verschiedensten Umwelteinflüssen ist das erste und wichtigste Lernziel, um eine konfliktfreie Zukunft zu beginnen. Oft kann bei Welpen beobachtet werden, dass sie bereits ab der vierten Lebenswoche in der Lage sind, minutenlang in sitzender Position einem Käfer nachzuschauen und seine Bewegungen genau zu beobachten. Leider wird dieses „ruhige Sitzen“ nach der Übernahme des Welpen nicht mehr gepflegt, und der kleine Welpe wird von Tag zu Tag hektischer. Beim ruhigen Sitzen wird dem Hund vermittelt, dass alles Interessante und Gute auf ihn zukommt und es keinen Grund gibt, nach vorne zu stürmen.
 

Das ruhige Sitzen beim WelpenDas ruhige Sitzen kannst Du bereits mit dem Welpen beginnen

In der formalen Hundeausbildung ist das ruhige Sitzen deshalb so bedeutsam, weil sich aus dieser Ruhe heraus alle folgenden Lernziele ableiten – und mit dieser Übung kann bereits mit dem Welpen begonnen werden. Je früher, desto besser. Beim ruhigen Sitzen muss der Hund in der Lage sein, solange an dem ihm zugewiesenen Platz sitzen zu bleiben, bis er vom Partner Mensch wieder abgeholt wird – unabhängig von den Aussenreizen, die auf ihn einwirken. Es scheint so einfach zu sein, das Lernziel zu erreichen, und doch ist es harte Arbeit, denn es setzt seitens des Hundehalters voraus, dass er selbst konzentriert, beharrlich, beständig, cool und innerlich ausgeglichen ist. Wenn der Hund das ruhige Sitzen beherrscht, bedeutet das eine grosse Erleichterung für alle Lernziele, die es braucht, um einen stressfreien Familienhund als Begleiter zu erziehen. Darüber hinaus kann das ruhige Sitzen in allen erdenklichen Alltagssituationen eingebaut werden: zuhause, vor dem Fressen oder Spaziergang oder auch wenn mit dem Hund aus dem Haus gegangen oder nach Hause gekommen wird. Wenn der Hundehalter mit Mitmenschen ein Gespräch beginnt und seinen Hund zuerst sitzen lässt, ergeben sich täglich immer neue Herausforderungen, das ruhige Sitzen so lange zu fördern, bis das Lernziel sauber verankert ist.
 

Das ruhige Sitzen- Eine ErfolgsgarantieDas ruhige Sitzen – Eine praxisbezogene Übung beginnt

Im letzten Beitrag befassten wir uns ausführlich mit den sechs Schlüsseln zum Erfolg. Diese Schlüssel konzentrieren sich ausschließlich auf die Schulung des Hundehalters. „Was will ich mit meinem Hund erreichen, und warum liegt mir das Ziel so am Herzen?“ Wer sich intensiv mit der Beantwortung dieser Fragen auseinandersetzt, ist bereits auf dem richtigen Weg, nämlich mit der richtigen Einstellung der Umwelt und seinem Tier gegenüber seinem Schützling zu fördern.
Viele Hundehalter machen sich diese Gedanken leider nicht. Sie nehmen die Unarten ihres Hundes als gegeben hin, lassen sich von ihrem Tier in die Schranken weisen und finden immer wieder neue Ausreden, um ein störendes Verhalten ihres Kameraden zu entschuldigen. Nehmen wir als Beispiel den Hund, der, sobald sich die Heckklappe des Wagens öffnet, wie vom Blitz getroffen aus dem Fahrzeug hechtet und unkontrolliert auf Entdeckungsreise geht.
Um die richtige Einstellung zur Hundeausbildung in diesem konkreten Fall zu finden, gehen wir also nochmals zurück zu den Ausgangsfragen: „Was will ich mit meinem Hund erreichen?“ Die Antwort darauf muss klar heißen: „Ich will, dass mein Hund lernt, mit mir zu kooperieren, sei es an der Leine oder ohne Leine. Unerwünschtes Jagen von Katzen oder Raben auf dem Felde und das Erliegen anderen Reizen sind ab sofort tabu.“ Davon muss der Hundehalter innerlich absolut überzeugt sein, nur dann kann er es seinem Hund glaubhaft vermitteln.
„Wie erreiche ich diese klaren Ziele, und was bin ich bereit, neu zu überdenken, eventuell aufzugeben?“ Wenn der Hundehalter ein Ziel so klar definieren kann, dass er es sich bildlich vorstellen kann, muss Erfolg eintreten. Jeden Tag macht es ihm sichtlich mehr Spaß beim Training, denn als stiller Beobachter hat er seinen Hund unter Kontrolle. Ist ein Hundehalter jedoch damit beschäftigt, seinen Hund wie eine Glucke zu beschützen, ihn von allen möglichen Reizen wegzulocken, indem er permanent mit Wurstzipfeln umherschmeisst, dann ist er Sklave seines eigenen Hundes geworden.
 
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Ausbildung eines Hundes ist die Zeit. Wir müssen uns bewusst sein, dass es dabei in erster Linie um die Schulung des Hundehalters geht. 80 % der Trainingszeit wird ihm gewidmet, damit sein Hund die restlichen 20 % konfliktfrei lernen darf.
 
Setzen wir die praxisbezogene Übung um:
 

Das korrekte Aussteigen aus dem Fahrzeug

Vor dem Beginn einer Trainingseinheit wird sich ihr Ablauf genau überlegt, sich vorgestellt, wie dieser korrekt auszusehen hat und welches Verhalten vom Hund konkret erwartet wird. Als ganz alltägliches praktisches Beispiel für das ruhige Sitzen wählen wir das korrekte Aussteigen aus dem Auto (diese Übung kann natürlich auch von der Haustür aus gestaltet werden). Folgende sieben Stufen sind zu beachten:
 
Stufe 1
Der Hundehalter steht vor der Heckklappe und wartet fünf Sekunden. Die Heckklappe wird geöffnet und gleichzeitig wird der Hund ins „Sitz“ kommandiert. Vor der geöffneten Tür bleibt der Hundehalter erneut fünf Sekunden ruhig stehen.
 
Stufe 2
Nun öffnet der Hundehalter die Hundebox, tritt zwei Meter zurück und zählt die nächsten fünf Sekunden. Der Hund bleibt ruhig sitzen.
 
Stufe 3
Der Hundehalter leint seinen Hund an, wartet fünf Sekunden und gibt dann das Kommando „Komm“.
 
Stufe 4
Sobald der Hund aus dem Auto springt, erfolgt unverzüglich das Kommando „Sitz“, das der Hund anstandslos ausführt und dabei Blickkontakt zum Hundehalter sucht. Eifriges Umherschnüffeln, lautstarkes Bellen, verlegenes Kratzen am Ohr oder wohliges Recken und Strecken sind in diesem Moment nicht erwünscht.
 
Stufe 5
Sitzt der Hund, wiederholt der Hundehalter seinen „Sitz“-Befehl und umkreist anschließend sein Auto einmal. Während dieser Zeit hat der Hund still sitzen zu bleiben.
 
Stufe 6
Nun schließt der Hundehalter die Autotür, geht zu seinem Hund, wartet fünf Sekunden, nimmt die Leine in die Hand, wartet wieder fünf Sekunden und marschiert dann mit seinem Hund auf Kommando los und sucht einen geeigneten Platz, wo sein Hund seine Geschäfte verrichten kann. Bevor der Hund abgeleint wird, muss er wieder fünf Sekunden ruhig sitzen.
Das richtige und ruhige Aussteigen aus einem Auto ist eine unspektakuläre Übung, die einer realen Alltagssituation entspricht. Das Lernziel ist dabei ganz klar formuliert: Der Hund hat so lange still im Auto sitzen zu bleiben, bis er vom Hundehalter zum Aussteigen aufgefordert wird. Eine kritische Einstellung zu den eigenen Leistungen und denen des Hundes verhilft dem Hundehalter zu einer schnelleren Zielerreichung. Nach jeder Stufe fragt er sich, ob er und sein Hund sie korrekt meistern konnten, und geht erst dann einen Schritt weiter, wenn er die Frage für beide bejahen kann. Treten erste Schwierigkeiten auf und verhält sich der Hund nicht so wie gewünscht, beginnt die ganze Übung wieder am Anfang bei Stufe eins. Dies kann zur Folge haben, dass der Hundehalter eine ganze Weile damit verbringt, seinem Hund das korrekte Aussteigen aus dem Auto beizubringen. Bleibt er aber hartnäckig und wiederholt diese Übung, bis sein Hund sie zu seiner vollsten Zufriedenheit ausführt, hat er sein Ziel erreicht und der Hund etwas dazu gelernt.
 
Die Wartezeit von fünf Sekunden zwischen den einzelnen Handlungen bringt die nötige Ruhe und Gelassenheit in eine Übung und verbessert zudem die Konzentrationsfähigkeit beider Partner – ganz nach dem Motto: „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Der Hundehalter kann in dieser Zeit seine Körperhaltung und Emotionen kontrollieren, die Reaktion seines Hundes beobachten und sich auf den weiteren Ablauf vorbereiten. Beim Hund fördern diese wenigen Sekunden die positive Erwartungshaltung und das Vertrauen in die Führung. Er spürt, dass er etwas korrekt ausgeführt hat, und wartet auf den nächsten Befehl.